Nachhaltigkeit – Omnipräsent und doch so weit weg

Im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos blicke ich auf meinen Telefonhörer. Unglaublich, welche Richtung mein geplantes Reklamationsgespräch genommen hat.

Nachdem ich der Computeransage mein okay für eine Aufzeichnung des Gesprächs gegeben hatte, war ich über die Hotline ohne Warteschleife bei einem realen, menschlichen Kundenbetreuer gelandet. Ich war so überrascht darüber gewesen, wie umgehend ich einen Ansprechpartner in der Leitung hatte, dass ich beinahe den Grund meines Anrufes vergessen hätte.

Ich sitze am Schreibtisch, gut ausgerüstet mit Vorgangsnummer, meinen Kundendaten und Ärger im Bauch und bringe mein Anliegen wohlformuliert an den Mann. Ich schildere ausführlich, in welchem erbärmlichen Zustand sich das von mir erworbene T-Shirt nach dem ersten Waschgang befindet. Aufgrund meines Erfahrungsschatzes habe ich schon mehrere Beweisbilder hochgeladen, die bereit sind, per Email verschickt zu werden.

Ich war darauf vorbereitet gewesen, mich darüber belehren lassen zu müssen, das Kleidungsstück zu heiß gewaschen, das falsche Waschmittel benutzt oder verbotenerweise den Trockner, den ich gar nicht habe, verwendet zu haben. Auch auf den Vorwurf, das T-Shirt stamme gar nicht aus dem Sortiment oder sogar auf eine Weiterleitung war ich innerlich eingestellt gewesen.

Aber die Reaktion meines Gesprächspartners verblüfft mich so, dass ich tatsächlich keine Worte finde. Jede Rechtfertigung meinerseits ist im Keim erstickt. Mein Fehler ist so offensichtlich, dass ich jeglichen Anspruch verloren habe. Mit einer unfassbaren Selbstverständlichkeit wird mir durch den Hörer erklärt: „Also zum Waschen ist dieses T-Shirt nicht gedacht!“

Nach einem irritiert gestammelten „Ach so“ meinerseits ist das Gespräch dann auch schon mit einem freundlichen „schönen Tag noch“ der anderen Seite beendet.

Nach kurzer Zeit löst sich meine Schockstarre und ich atme tief durch. Über seinen biologischen Fußabdruck muss dieses Unternehmens selbst urteilen, für mich bedeutet es zuerst einmal, nie wieder etwas mit diesem Label zu erwerben. Obwohl Nachhaltigkeit omnipräsent ist und so viele Unternehmen sich damit brüsten, ihrer Firmenphilosophie entsprechend nachhaltig zu produzieren, bedeutet es eben noch lange nicht, dass ich als Endverbraucher bedenkenlos kaufen kann. 

Folglich werde ich des Weiteren noch mehr darauf achten müssen, was und wo ich kaufe und noch bewusster Entscheidungen treffen.