Social Cocooning – Wenn Rückzug Gewinn bedeutet

Der Schlüssel dreht sich, die Tür geht auf. Warmes Licht umfängt uns und der Mantel samt Aktentasche findet rasch den Weg in die Ecke. Im Wohnzimmer steht eine Sofalandschaft mit einem Berg kuscheliger Kissen und Cashmeredecken, während der große Tisch in der Wohnküche auf hungrige Gäste wartet. Zu Hause!

Was früher als Biedermeiertum und spießig müde belächelt wurde, ist der neue Trend zur Häuslichkeit, eine aktive Hinwendung zu einem neuen Lebensverständnis. Wir suchen unser eigenes Glück nicht im ständigen Streben nach noch mehr Prestige und Geld, sondern der Wunsch, uns so wohl wie möglich in unserem Umfeld zu fühlen, ist Motivation. Da erfährt das eigene Heim eine enorme Aufwertung.

In unserer bewegten, aufregenden und doch brüchigen Welt, dominiert von Digitalisierung und Technisierung hat sich eine starke Sehnsucht gebildet, die auf ebenso einfache wie natürliche Weise unser Innerstes berührt. Es ist die Sehnsucht nach der Einfachheit. Ein bewußtes Abwenden von der Hektik des Alltags, indem wir uns gemeinsam der Idylle menschlicher Behaglichkeit hingeben.

Das ist Luxus für kleines Geld: Ein geselliges Abendessen mit Freunden nach gemeinsamem Kochen, ein lustiger Spieleabend oder einfach zusammen mit den Nachbarn am Feuer sitzen und fasziniert die Flammen beobachten. Denn nicht nur Singles oder Pärchen praktizieren Cocooning, auch unsere Liebsten dürfen hinein in die Wohlfühloase, die wir uns geschaffen haben. Gemeinsam lassen wir nach Feierabend alle Fünfe mal gerade sein und suchen ganz bewußt die Entspannung und Entschleunigung. Wer kann schon immer hundert Prozent Aktionismus abliefern? Hier wächst zusehends das Verständnis, dass wir jenseits der medialen Gewitter einen Rückzugsort brauchen, der uns die Möglichkeit gibt, den Körper zu entspannen, unser Denken neu auszurichten, ja unser gesamtes Leben zu sortieren.

Schön, dass dieser überlegte, bewußt geplante Abend oder Wochenendausstieg nicht gleichbedeutend ist mit Abschotten oder virtueller Selbstinszenierung, sondern echte Begegnungen und gemeinsame Erlebnisse beinhalten.

Wie wertvoll zu wissen, dass es einen Ort gibt, an dem wir uns wohlfühlen, glücklich sind und uns in der Gemeinschaft mit anderen fallen lassen können. Dann macht Rückzug unser Leben jedes Mal ein bisschen reicher.